Page 14 - Unsere Brücke / Juni 2024
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 David Karer
Seminarist
Die christliche Verkündigung darf auf eine lange und ereignisreiche Geschichte zurückblicken und so wie sich seit dem Beginn der Guten Botschaft die Zeiten geändert haben, so haben sich auch Arten und Schauplätze der Verkündigung immer wieder neu erfinden müssen. Wenn Jesus im fünften Kapitel des Matthäus-Evangeliums noch auf einen Berg steigt, um möglichst viele Menschen zu erreichen und ihnen das Gebet des Herren, das Vater Unser, zu schenken, so lesen wir am Ende der Apostelgeschichte, dass sich Paulus in Rom eine Mietwohnung zulegt, worin er interessierte Gäste empfängt und das Reich Gottes „un- gehindert und in aller Freimut“ verkündet. Wäre die Apostelgeschichte ein Film, so würde sich nun das Kamerabild langsam vom Geschehen entfernen und der Abspann beginnen. Die Absicht hinter diesem Ende ist jedoch eine andere. Der Schluss der Apostelgeschichte will nämlich kein Ende im eigentlichen Sinne sein, sondern will subtil verdeutlichen, dass die Geschichte der Heiligen Schrift und somit auch die Geschichte der Verkündigung bis zum heutigen Tag fortdauert. Im 20. Jahrhundert konnte man die Veränderungen des katholischen Gottesdienstes und damit auch in der Verkündigung der gesamten Weltkirche quasi inner- halb eines einzigen Lebens in Echtzeit mitverfolgen. Innerhalb weniger Jahrzehnte kamen größere Bewegungen zu Stande als in mehreren Jahrhunderten zuvor. Manche nicht unumstritten.
Jedoch findet sich die Verkündigung heute in den westlichen Län-
dern der Erde aufgrund der stark veränderten Gesellschaft in einer Krise wieder. Radio, Fernsehen und in den letzten Jahrzenten auch das Internet sind anstelle von Ambo und Kanzel getreten und bieten auf dem Markt der Weltanschauungen scheinbar attraktivere Alternativen zum Christentum an. Viele Menschen können oder wollen nicht mehr erreicht werden. Der anglikanische Theologe Christopher J. H. Wright hat die Aussage gemacht:„Die Kirche hat keine Mission, sondern die Mission hat eine Kirche.“ Und führwahr, die Mission läuft Gefahr, ihre Kirche(n), also ihr ureigenstes Werkzeug zu verlieren. Noch dazu scheint es, wie es Kardinal König einmal bezeichnete, eine Art Kommunikati- onsstörung zwischen der Kirche und ihren Gläubigen zu geben, die die Kluft zwischen katholischem Lehramt und gelebter Praxis noch vertieft. Die Frohbotschaft hat aber auch heute noch viel zu bieten. Sie kann auch heute noch Berge versetzten oder vielmehr der Glaube, der dahin- tersteht, kann es. Zwar wird man sich schwertun den Großglockner in die Adria zu versetzen, aber eigentlich sind es die Berge im Verstand,
Verkündigung im Laufe der Zeit
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