Page 20 - Unsere Brücke / Juni 2024
P. 20

  Jakob Stichlberger
Seminarist
„Auf dass den Gläubigen der Tisch des Gottes- wortes reicher bereitet werde, soll die Schatz- kammer der Bibel weiter aufgetan werden“1
Die poetische Formulierung in der Überschrift stammt aus der Li- turgiekonstitution des II. Vatikanischen Konzils, die auch an anderen Stellen den Auftrag gibt, die Bibel möge in umfassenderer Weise im Gottesdienst vorgetragen werden. Als Antrieb für dieses neue Augen- merk kann wohl gelten was in „Dei Verbum“2 gesagt wird:„Die Kirche hat die Heiligen Schriften immer verehrt wie den Herrenleib selbst, weil sie, vor allem in der heiligen Liturgie, vom Tisch des Wortes Gottes wie des Leibes Christi ohne Unterlass das Brot des Lebens nimmt und den Gläubigen reicht“3.
So wurde nach dem Konzil eine neue Leseordnung für die Liturgie entworfen und in Kraft gesetzt. Ziel des Ganzen soll sein, dass mög- lichst die ganze Bibel in einem gewissen Zeitraum im Gottesdienst vorgetragen wird und man so durch den Gottesdienstbesuch gleichsam „automatisch“ mit der gesamten Bibel vertraut wird. Dem dienen die drei Lesejahre an den Sonntagen bzw. zwei Lesejahre an Werktagen, welche weitgehend auf dem Prinzip der „Bahnlesung“ beruhen. Das bedeutet, dass fortlaufend aus einem biblischen Buch gelesen wird.
So wird etwa an den Sonntagen im Lesejahr A stets das Matthäus-, im Lj. B das Markus- und im Lj. C das Lukasevangelium vorgetragen. Auch die Zweite Lesung an Sonntagen folgt diesem Prinzip, wenn aus der neutestamentlichen Briefliteratur gelesen wird. Die Erste Lesung aus dem Alten Testament folgt nicht dem Bahnlesungsprinzip und ist auf das Evangelium abgestimmt, wodurch die Verbindung von Altem und Neuem Testament sichtbar werden soll. Dennoch lernt, wer stets am Sonntagsgottesdienst teilnimmt, nahezu alle Haupttexte des Alten Testaments kennen.4
Bahnlesungen aus dem Alten Testament hören wir aber in den Werktagsgottesdiensten. An diesen werden im Jahreskreis jährlich Markus-, Matthäus- und Lukasevangelium fast vollständig vorgelesen. Als Lesung dient ein Text aus einem alttest. Buch oder den neutest. Briefen sowie in der Osterzeit aus der Apostelgeschichte. Diese Lesung folgt dem Bahnlesungsprinzip, sodass im Zweijahresrhythmus fast der gesamte Inhalt der Bibel vorgelesen wird. Vor allem in den geprägten Zeiten (Advent- und Weihnachtszeit, Fasten- und Osterzeit) kommt daneben das „Prinzip der Zuordnung“ zum Tragen. Das heißt, die Schrifttexte werden passend zum Fest bzw. der kirchlichen Jahreszeit ausgewählt. Insbesondere wer die Möglichkeit hat und nützt, täglich den Gottesdienst zu besuchen, hört binnen zwei Jahren also beinahe die ganze Bibel, ganz dem entsprechend, was das Konzil gewünscht
 18
 


























































































   18   19   20   21   22