Page 4 - Unsere Brücke / Juni 2024
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Dr. Manfred Scheuer
Bischof
Ohne Zeugnis der Glaubensgemeinschaft ist ein persönlicher Glaube im christlichen Sinn nicht möglich. Andere haben uns den Glauben vermittelt, tradiert, haben uns zum Glauben angestiftet, uns im Glau- ben gefördert, bestärkt, korrigiert oder auch kritisiert. Der Glaube des Einzelnen konkretisiert sich in der Gemeinschaft der Kirche. Christ- lich glaubt man in Gemeinschaft. Es ist der Glaube der Kirche und damit Glauben in und mit der Kirche. Der Glaube an den Vater Jesu Christi ist nicht zu lösen von der kirchlichen Vermittlung (auch die Freikirchen berufen sich auf die Schrift, die ein Buch der Kirche ist), er kann nicht abgelöst werden von der Gemeinschaft der Zeugen, der Heiligen, von der Gemeinschaft und Solidarität mit den Menschen.
Im Oktober 2008 fand in Rom die Bischofssynode zum Thema:„Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche“ statt. In seinem Wort, das Jesus Christus in Person ist, teilt Gott sein Innerstes, sich selbst mit. Das Wort Gottes gibt unserem Leben die entscheidende Richtung: die Begegnung mit Jesus Christus.„Wer die Schrift kennt, kennt Gottes Herz“, so Gregor der Große. Oder „Wer die Schrift nicht kennt, kennt Christus nicht“ so Hieronymus. Die Sakramentalität des Wortes Gottes lässt sich in Analogie zur Realpräsenz Christi unter
den Gestalten des konsekrierten Brotes und Weines verstehen. Die Verkündigung des Wortes Gottes in der liturgischen Feier geschieht in der Einsicht, dass Christus selbst in ihr gegenwärtig ist und sich uns zuwendet, um aufgenommen zu werden.
Im fünften Kapitel von „Evangelii gaudium“ legt Papst Franziskus eine Spiritualität der Evangelisierung vor, die vom Gebet lebt und auf diese Weise immer neu die Beziehung zu Jesus Christus erneuert und vertieft, in der er uns alle vom Egoismus und der individualistischen Neigung befreit (EG 263). Christus will uns in tiefer Verbundenheit mit seinem Volk, den Menschen, besonders den Leidenden, die seine Wundmale sind, sehen (EG 270; 271). Deshalb bedeutet missionarisch sein, die Liebe zu leben, die immer das Wohl des anderen sucht, das Glück des anderen will (EG 272). Diese Mission, die ich bin, ist der Grund meiner Existenz (EG 273).
Grundoption des Papstes ist die Freude am Evangelium aus einer persönlichen Beziehung zu Jesus Christus, Mitte seines missiona- rischen Programms ist die ständige Erneuerung unserer Beziehung zu Jesus Christus. „Ich lade jeden Christen ein, gleich an welchem Ort und in welcher Lage er sich befindet, noch heute seine persönliche Begegnung mit Jesus Christus zu erneuern oder zumindest den Entschluss zu fassen, sich von ihm finden zu lassen, ihn jeden Tag ohne Unterlass zu suchen.“ (EG 3). In dieser Begegnung lernen wir zu lieben, was Jesus liebt, und
Der Glaube kommt vom Hören (Röm 10,14)
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