Page 10 - Unsere Brücke Dezember 2021
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 Mag. Johann Karner Spiritual
Wie Berufung gelebt werden kann. Aspekte christlicher Berufung
Mein Erstberuf war Hauptschullehrer für Mathematik und Bildne- rische Erziehung. Ich wollte mit Menschen zu tun haben. Als Jungleh- rer arbeitete ich in der Jungschar und im Katholischen Bildungswerk in meiner Heimatpfarre mit. Doch schon während der Ausbildungszeit auf der Pädagogischen Akademie dachte ich mir: Ich möchte nicht „Null-acht-15-Lehrer“ werden, sondern einen christlichen Akzent setzen. Ein Entwicklungshilfeeinsatz war eine mögliche Perspekti-
ve. Doch da ergab sich kein konkretes Projekt. Nach meinem ersten Dienstjahr als Hauptschullehrer musste ich meinen Grundwehrdienst beim Österreichischen Bundeshehr ableisten. Während dieser Phase hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Und so holte mich der Gedanke ans Priesterwerden ein, der sich schon in meiner Kindheit erstmals gemeldet hatte. Im Ringen um diese Entscheidung suchte ich das Ge- spräch u.a. auch mit Priestern meines Vertrauens. Keiner versuchte – und dafür bin ich sehr dankbar -, mir den Priesterberuf enthusiastisch anzupreisen. Vielmehr wurde ich auf Alternativen verwiesen: „hast du bedacht und geprüft ...es gibt auch andere Möglichkeiten, christliche Berufung zu leben! Gerade als Lehrer hast du viele Möglichkeiten ...“
Ich bin fest davon überzeugt: Gott ruft nicht nur Kandidaten für ein Weiheamt oder für einen Ordensberuf. ER ruft jede(n) Getaufte(n) in die für ihn/sie bestmögliche Form der Nachfolge Jesu. Erkennungs- zeichen und Qualitätsmerkmal christlicher Berufung ist das Für- andere-und-für-Gott-dasein-Wollen. Dieses erfordert die Bereitschaft, das eigene Ich zu verlassen, aus sich selbst hinauszugehen, sprich Selbstlosigkeit. Eine glückende Entscheidungsfindung ist nur möglich im innigen Kontakt mit Christus, im Schauen auf IHN. Denn es geht nicht um meinen Willen, sondern um Seinen Willen mit mir. Das Paradox dieses Berufungsfindungs-Geschehens ist, dass der Weg, den ER für mich vorsieht, auch für mich selber der optimale ist, was nicht heißt, dass es der leichteste Weg ist. Wasserzeichen jeder christlichen Berufung ist der Dienstcharakter: „Liebt (dient) einander, wie ich euch geliebt (gedient) habe“. (vgl. Joh 15,12)
Realisierungsformen christlicher Berufung, abgesehen von Priester- und Ordensberufen, gibt es viele. Ich möchte drei Perspektiven unter- scheiden:
1. Die erste Wahl wird den Familienstand betreffen. Auch der Laie kann entscheiden, ob er sein Christsein in einer zölibatären Le- bensform oder eher in Ehe und Familie verwirklichen will. Es gibt Frauen und Männer, die so in ihrem Beruf aufgehen, dass es mit einer Familie nicht vereinbar ist. Dass auf der anderen Seite christ- liche Eheleute eine unverzichtbare Rolle in unserer Gesellschaft spielen, die genauso die Totalhingabe erfordert, steht außer Frage.
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