Page 20 - Unsere Brücke Dezember 2021
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 Mag. Klaus Walchshofer Referent für Berufungs- pastoral
Berufung
Auf einer koptischen Ikone aus dem 8. Jahrhundert sind zwei Figuren zu sehen: Christus mit dem Kreuznimbus und einem Evangelienbuch und Abt Menas mit einem einfachen Heiligenschein und einer Schrift- rolle in der Hand. Was auffällt, ist die freundschaftlich wirkende Geste: Christus legt seinen Arm auf die Schulter des Abtes. Viele Jahr- hunderte nach ihrer Fertigung wurde diese Ikone ausgehend von Taizé als Ikone der Freundschaft bekannt. Als solche steht sie auch Pate für unser Logo und unser Verständnis von Berufung.
Der Begriff der Berufung wird heute in unterschiedlicher Weise verwendet: jemand ist ein berufener Musiker oder eine berufene Künstlerin, jemand wird in eine Kommission oder auf einen Lehr- stuhl berufen, jemand macht seine Berufung zum Beruf. Gemeinsam ist diesen Beispielen, dass es um den Einsatz von Talenten und
Fähigkeiten sowie die Entfaltung des eigenen Potenzials geht. Mindestens ebenso wichtig ist aber auch die Frage nach dem, der beruft, und – damit verbunden – wozu. Berufung ist Ruf und Antwort und somit ein Beziehungsgeschehen zwischen Gott und Mensch. Was dies heißt, wird im Leben Jesu deutlich: Er ist eins mit dem Vater. (Vgl. Joh 17,22) Durch die Taufe sind wir in diese Beziehung mithineingenommen. Jesus nennt seine Jünger nicht mehr Knechte, sondern viel- mehr Freunde. (Vgl. Joh 15,15) „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt.“
(Joh 15,16). Daher dürfen auch wir darauf ver- trauen, dass Christus uns so wie Abt Menas auf der Ikone zur Seite steht und seine Hand freund- schaftlich auf unsere Schulter legt, wenn wir aus dieser Beziehung heraus so handeln wie er.
Gemeinschaft mit Christus ist aber auch verbunden mit der Gemein- schaft der Jünger untereinander. „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Mt 18,20) Dies erfahren in besonderer Weise auch die Emmausjünger, die gemeinsam und mit Christus auf dem Weg sind und ihn schließlich beim Brotbrechen erkennen. (Vgl. Lk 24,13–35) Hierin liegt die zwei- te Inspiration für unser Berufungsverständnis und Logo. Als Christen sind wir miteinander auf dem Weg und wissen uns dabei von Chri-
Berufungspastoral in der Diözese Linz
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